Muffin-Herzen und Sonne pur bei großer Schaltjahr-Party in Bad Hindelang

34 Gäste feiern am 29. Februar im Allgäuer Ferienort Geburtstag

Bad Hindelang (dk). Wen sollte ich zu meinem Geburtstag einladen und wo könnte ich feiern? Für Michael Janesch und Albert Gehring stellt sich diese Frage schon lange nicht mehr. Beide feiern seit 1996 alle vier Jahre immer in Bad Hindelang (Allgäu) mit Freunden, Bekannten und sogar Menschen, die sie zuvor nie getroffen haben. Auch in diesen Tagen waren sie wieder mit dabei bei der außergewöhnlichsten Geburtstagsparty Deutschlands. 34 Gäste – alle am 29. Februar geboren – feierten in Bad Hindelang zum zehnten Mal ein großes Fest – so viele Teilnehmer wie nie zuvor.

Die Idee für eine Geburtstagsfeier am Schalttag hatte 1988 der damalige Kurdirektor von Bad Hindelang, Walter Besler. Dessen Nachfolger Maximilian Hillmeier führte die Tradition bis heute mit Erfolg fort. „Ich finde es unglaublich schön, wie sich die Veranstaltung in den vergangenen 36 Jahren und wie sich der Zuspruch weiterentwickelt hat. Unsere Schaltjahr-Party ist mittlerweile wie ein großes Klassentreffen, bei dem man sich nach vielen Jahren trifft und viel zu erzählen hat.“

Kleiner aber feiner Unterschied zu einem Klassentreffen – die Geburtstagsfeier in Bad Hindelang war erneut eine Mehr-Generationen-Party. Der älteste Teilnehmer feierte seinen 22. echten Geburtstag und wurde 88 Jahre alt, die jüngste Teilnehmerin wurde an ihrem 6. Geburtstag 24. Darüber hinaus standen gleich fünf runde Geburtstage an – vier Gäste wurden an ihrem 15. Geburtstag 60, eine Dame bei ihrer 20. Party stolze 80.

Traditionell startete die Feier am Abend des 28. Februar. 22 der 33 Teilnehmer waren bereits am Vorabend des Schalttages im „Stadel“ des Bad Hindelanger Hotels „Wiesengrund“ dabei. Der Höhepunkt folgte um Mitternacht – die 29-Wörter-Rede von Maximilian Hillmeier. Ein Tusch, dann legte der Tourismusdirektor los:

„Der 29., alle 4 Jahre gemacht; Geburtstag, selten bedacht.

Doch weniger hat mehr Pracht.

Schalttaggeborene, keine Sorgen. Ihr kommt hierher, nach Hindelang,

über kurz oder lang, und seid geborgen.“


Es folgte Applaus für Tourismusdirektor Hillmeier, der sich mit Kuchen bedankte. Jeder Gast bekam ein Stück Torte, zuvor zubereitet von der heimischen Bäckerei Halder aus Unterjoch. Ein Kuchen in Form der Zahl 29 aus 29 regionalen Zutaten – Geschmacksrichtung Himbeere und Schokolade.

Am 29. Februar waren alle Geburtstagsäste mit dabei. Sie trafen sich an der Talstation der Hornbahn zur gemeinsamen Fahrt auf das Imberger Horn. Bei strahlendem Sonnenschein und bester Laune wurde die mittlerweile 10. Bad Hindelanger Schaltjahr-Party zu Weißwurst und Käsebrot fortgesetzt. Es wurde gefeiert, gelacht und Adressen ausgetauscht. Bevor die Gäste im Laufe des Tages ihre Heimreise antraten, nahmen sie von der heimischen Bäckerei aus Unterjoch ein weiteres süßes Schmankerl in Empfang – ein personalisiertes Muffin-Herz. Zudem verewigten sie sich auf einem Gruppenfoto.

Nicht im Bild ist ein kleiner Bub aus Bad Hindelang, der zeitgleich ein paar Meter Luftlinie entfernt ebenfalls Geburtstag feierte – seinen ersten richtigen. Weil der Knirps erst vier Jahr alt wurde, zogen seine Eltern es vor, die Party im Kreise der Familie zu genießen. „Vielleicht ist er 2028 mit dabei“, sagte die Mama.

Der Junge aus Bad Hindelang ist einer von 1.700 Neugeborenen, die 2020 am Schalttag zur Welt kamen, 2016 waren es 1.810. Diese Zahlen lieferte das Statistische Bundesamt mit Sitz in Wiesbaden. Wie viele am 29. Februar Geborene insgesamt in Deutschland leben, erfasst die Behörde nicht. Medien berichten von rund 50.000.  

„Erst seit 2016 haben wir die Möglichkeit, so genanntes Einzelmaterial zu bestimmten Daten auszuwerten – daraus stammen diese Zahlen. Ein zentrales Melderegister für Geburtsdaten gibt es nicht“, teilt eine Mitarbeiterin der Behörde mit. Der Zusammenstellung voraus gehe immer eine Anfrage bei den jeweiligen Landesämtern für Statistik, die der Erhebung zustimmen müssten.

Zahlenspiele, für die sich die 34 Party-Gäste in Bad Hindelang an diesem 29. Februar nicht interessieren. Sie genießen es sichtlich, einfach hier zu sein.

 

Über den Schalttag

Die Zeit, die die Erde benötigt, um die Sonne zu umrunden, beträgt etwa 365,2422 Tage. Um sich diesem Zeitraum anzunähern, führte Papst Gregor XIII. den gregorianischen Kalender ein, der im Normalfall 365 Tage pro Jahr hat. Um den Überschuss von etwa 0,2422 Tagen auszugleichen, wird alle vier Jahre am 29. Februar ein Schalttag hinzugefügt. Würde man darauf verzichten, würde unsere Zeit im Laufe eines Jahres um knapp sechs Stunden von der astronomischen Realität abweichen. Das heißt: Der Kalender würde sich im Laufe der Zeit vom tatsächlichen Sonnenjahr entfernen, was wiederum zu saisonalen Verschiebungen führen würde – ohne Schaltjahr würden wir Weihnachten irgendwann im Hochsommer feiern.

Weil der gregorianische Kalender zwar eine gute Annäherung ist, aber dennoch ein kleiner Überschuss verbleibt, werden Schaltjahre, die durch vier teilbar sind, normalerweise beibehalten; es sei denn, das Jahr ist durch 100 teilbar und nicht durch 400. Das erklärt, warum das Jahr 2000 ein Schaltjahr war, obwohl es durch 100 teilbar, aber eben auch durch 400 teilbar war. Die Jahre 1700, 1800 und 1900 waren hingegen keine Schaltjahre. Das Jahr 2100 wird ebenfalls auf den 29. Februar verzichten müssen.

Das Bürgerliche Gesetzbuch schreibt in §188 Absatz 3 sogar eine rechtliche Regelung für den Schalttag vor: Am 29. Februar geborene Menschen werden demzufolge in Nicht-Schaltjahren mit am 01. März Geborenen gleichgesetzt. Wer in einem Nicht-Schaltjahr an einem 29. Februar seinen 18. Geburtstag feiern würde, wird also per Gesetz erst am 01. März volljährig.

Rund um den Globus gibt es am 29. Februar verschiedene Bräuche und Mythen – einer davon zum Beispiel in Großbritannien: Bereits seit dem Mittelalter ist es in England, Irland und Schottland Tradition, dass die Frauen den Männern am 29. Februar einen Heiratsantrag machen. Hingegen stehen Heiratswillige in Griechenland bereits Ende Dezember Schlange, um sich noch das Jawort zu geben, weil Menschen in Griechenland eher skeptisch auf anstehende Schaltjahre blicken.

Besonders kurios ist eine Geschichte anno 1582: Damals, im 16. Jahrhundert, wird der Gregorianische Kalender (benannt nach Papst Gregor XIII.) eingeführt. Damit der Kalender mit der neuen Schalttag-Regel kompatibel ist, werden zehn Tage einfach gestrichen – auf den 4. folgt somit der 15. Oktober. Folge: 1582 geht als kürzestes Jahr der Zeitgeschichte in die Annalen ein.

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