Bad Hindelang (dk). Die Gemeinde Bad Hindelang (Allgäu) hat im context verlag Augsburg | Nürnberg die internationale und interdisziplinäre Bibliographie „Alm- und Alpwirtschaft im Alpenraum“ des renommierten Alpenforschers und Autors Prof. Dr. Werner Bätzing herausgegeben. Die alpflächenreichste Kommune Deutschlands – rund 8.000 Hektar Alprechtsfläche machen 56 Prozent der Gemeindefläche aus – stellt darin erneut die große Bedeutung der Alm- und Alpwirtschaft für Umwelt- und Naturschutz und damit für den Erhalt der hochalpinen Alpwirtschaft heraus. 2016 waren die Hochalpine Allgäuer Alpwirtschaftskultur in Bad Hindelang in das Register Guter Praxisbeispiele zur Erhaltung Immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen und die Bad Hindelanger Älpler mit dem „Heimatpreis Schwaben für besondere Verdienste um Kultur, Heimat und Brauchtum“ ausgezeichnet worden. Werner Bätzing, emeritierter Professor für Kulturgeographie am Institut für Geographie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, der für sein Lebenswerk unter anderem mit dem „Deutschen Alpenpreis“ geehrt wurde, hat das Werk in jahrelanger Arbeit vorbereitet. In Bad Hindelang stellte der bekannte Kritiker der Entwicklung im Alpenraum und gerne als „Alpenpapst“ bezeichnete Experte für Kulturlandschaft die in Teilen ins Italienische, Französische, Englische und Slowenische übersetzte Bibliographie vor: Das 348-seitige Buch umfasst mit rund 2.400 bibliographierten Publikationen die Alpenregionen vom Mittelmeer bis Slowenien und die mit der Alm- und Alpwirtschaft verbundenen Fachgebiete.
„Weil die Alm- und Alpwirtschaft seit jeher sehr stark regional und national geprägt ist, gab es bislang kaum einen alpenweiten Überblick. Insofern ist uns etwas Einmaliges gelungen, denn diese Bibliographie ermöglicht eine umfassende Gesamtsicht auf die Alm- und Alpwirtschaft im kompletten Alpenraum und bietet somit etwa Vereinen und Verbänden eine ideale Gelegenheit, die transnationale Zusammenarbeit zu verbessern“, sagt Prof. Dr. Bätzing.
Der bekannte bayerische Landschaftsökologe Alfred Ringler beziffert die Gesamtzahl der Almen und Alpen im gesamten Alpenraum auf etwa 30.000. Dem Träger der „Naturschutzmedaille des Bund Naturschutzes in Bayern“ zufolge mache dies rund 30 Prozent der Fläche der Alpenregion aus. Demzufolge stelle die Alm- und Alpwirtschaft ein zentrales Spezifikum der Alpen dar. „Das bedeutet auch, dass die Berglandwirtschaft ohne die Alm- und Alpwirtschaft in den Alpentälern ökonomisch sehr viel schwächer ausgeprägt wäre“, sagt Prof. Dr. Werner Bätzing. Er fügt hinzu: „Die Alm- und Alpwirtschaft hat das obere Höhenstockwerk der Alpen in eine kleinräumige Kulturlandschaft mit sehr hoher Arten- und Landschaftsvielfalt umgestaltet. Die vergleichsweise konstante Nutzung über viele Jahrhunderte hinweg hat ein kulturelles Erbe geschaffen, das für die Identität der ländlichen Alpenbevölkerung sehr wichtig ist.“
Für die Marktgemeinde Bad Hindelang ist die heimische Alpwirtschaft identitätsstiftend. „Die Alpwirtschaft ist genau das, was die Menschen mit unserem schönen Heimatort besonders eng verbindet. Aus diesem Grund freue ich mich, dass die Marktgemeinde Bad Hindelang diese einzigartige Bibliographie herausgeben darf. Ich bin davon überzeugt, dass sie bald zu einem unverzichtbaren Nachschlagewerk für alle werden wird, die sich mit der Alpwirtschaft beschäftigen. Der akribischen Arbeit des renommierten Alpenforschers und Autors zolle ich dafür meine Anerkennung und höchsten Respekt“, sagt Dr. Sabine Rödel, Bürgermeisterin der Marktgemeinde Bad Hindelang. „Prof. Dr. Bätzing leistet mit der Bibliographie einen unschätzbaren Beitrag für die Erhaltung des Wissens um die Alpwirtschaft – und das nicht nur in Bad Hindelang, sondern für den gesamten Alpenraum. Für Bad Hindelang ist die Alpwirtschaft von herausragender Bedeutung. Die Kultivierung und stetige Pflege der Bergregion durch die verantwortungsvolle und schwere Arbeit der Älpler haben die für das Oberallgäu so typische Kulturlandschaft bis heute bewahrt. Eine Landschaft, die auch in Bad Hindelang die Basis für den Erfolg im Tourismus ist“, so die Gemeindechefin.
Prof. Dr. Bätzing und Dr. Sabine Rödel weisen darauf hin, dass die Alm- und Alpwirtschaft exemplarisch zeige, dass es möglich sei, in den Hochlagen der Alpen wertvolle Lebensmittel herzustellen und dabei die Arten- und Landschaftsvielfalt nicht nur zu erhalten, sondern sogar zu vergrößern und gleichzeitig dauerhaft klimaverträglich zu wirtschaften. Prof. Dr. Bätzing macht jedoch deutlich: „Diese Erfahrungen dürfen keinesfalls verloren gehen, sind sie doch gerade heute für eine zukunftsfähige Landwirtschaft in Europa ganz besonders wichtig.“
Zugleich warnt Prof. Dr. Bätzing davor, Probleme zu verkennen: „Der ökonomische Druck, der auch auf der Alm- und Alpwirtschaft lastet, birgt Gefahren. Sowohl die Aufgabe wenig produktiver Alm- und Alpflächen als auch die immer intensivere Nutzung gut erreichbarer und produktiver Flächen werden langfristig zum Verlust der Artenvielfalt und zu einer Qualitätsreduktion der Alm- und Alpprodukte führen.“ Darüber hinaus gelte es, die Ausbreitung von Großraubtieren wie Wölfen im Blick zu behalten und einen überbordenden Freizeit-Tourismus auf alm- und alpwirtschaftlichen Flächen zu begrenzen.“
Was ist Alm- und Alpwirtschaft?
Über die europäische Berglandwirtschaft im Alpenraum – Begriffe, Dialekte, Unterschiede:
Die Begriffe Alm- beziehungsweise Alpwirtschaft beschreiben die Nutzung hochgelegener Weideflächen in den Alpen. Gemeint sind die Flächen, die oberhalb der Waldgrenze liegen, sowie die gerodeten Flächen in der Nähe der oberen Waldgrenze. Dort werden im Sommer Rinder, Pferde, Schafe, Ziegen gealpt. Dafür sind eigene Gebäude, Personal und Infrastruktur erforderlich.
Für die hochgelegenen Weideflächen in den Alpen gibt es keinen hochdeutschen Ausdruck, sondern nur zwei Dialektbegriffe: „Im bairischen Dialekt – zum Beispiel in Oberbayern, in Österreich ohne Vorarlberg, und Südtirol – spricht man von Alm.“ Im alemannischen Dialekt (bayerisches Allgäu, Vorarlberg, Liechtenstein und Deutschschweiz) habe sich Prof. Dr. Bätzing zufolge die „Alp“ durchgesetzt. Internationale Begriffe seien „alpage“ und „montagne“ (französisch), „gias“ (okzitanisch), „alpeggio“, „grangia“, „malga“ (italienisch), „alp“, „munt“ (rätoromanisch) oder „planina“ (slowenisch).
Unterschieden werde darüber hinaus zwischen der lokalen und transhumanten Alm- beziehungsweise Alpwirtschaft. Lokal stammen die gealpten Tiere aus den benachbarten Tälern und verbringen dort den Winter im Stall. „Dies gilt zum Beispiel für Bayern, Österreich, die Schweiz und Slowenien. In der transhumanten Alm- beziehungsweise Alpwirtschaft weiden die gealpten Tiere im Sommer auf den Almen und Alpen und im Winter im Tiefland außerhalb der Alpen – etwa im französischen Rhônetal, der italienischen Po-Ebene oder der Mittelmeerküste“, erklärt Prof. Dr. Werner Bätzing.